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The Voice of IoT. März 2022

Die intelligentere Zukunft von Immobilien

In der Immobilienbranche verspricht man sich schon seit vielen Jahren ein grosses Potenzial von IoT-Anwendungen – sowohl in der Innovation von neuartigen Dienstleistungen wie auch in der Betriebseffizienz der Gebäude. Early Adaptors haben sich die Vorzüge bereits in vielen Projekten zunutze gemacht. Sie haben wertvolle Erkenntnisse aus Pilotprojekten gewonnen, viele Initiativen erfolgreich umgesetzt und teilweise auch Lehrgeld bezahlt. Klar ist, dass vernetzte Gebäude nicht mehr wegzudenken sind. Die damit verbundenen Chancen wie auch die steigenden Bedürfnisse im Marktumfeld lassen gar nichts anderes zu. Auf die Wegbereitung der Pioniere wird nun unweigerlich die breite Masse folgen. Für einen erfolgreichen Einsatz von IoT stellen sich dabei immer wieder ähnliche Herausforderungen. Wer sie frühzeitig beachtet und im Auge behält, stellt wichtige Weichen für den Projekterfolg.
Martin Ehrat. Leiter Digital Solutions. Tend AG. Schweiz.

Wenn das vernetzte Gebäude zum Leben erwacht

Als ich vor gut 10 Jahren in die Smarthome-Branche einstieg, vernetzten wir einen klassischen Lichttaster, wie er in jedem Gebäude anzutreffen ist. Ich stellte mit Begeisterung fest: Der Funktionsumfang des bislang eingeschränkten Tasters erweiterte sich fulminant. Sogar Tweets über Twitter konnten damit abgesetzt werden - ein eindrückliches und vor allem auch bezeichnendes IoT-Beispiel. Es zeigt die Kraft der funktionalen Erweiterung von analogen Geräten oder Anlagen durch die digitale Vernetzung. Diese erlaubt das Zusammenspiel über einfache Schnittstellen mit beliebig weiteren Anwendungen. Neben den neu gewonnenen intelligenten Steuerungsmöglichkeiten werden laufend wichtige Geräteinformationen und Daten über eine Cloud zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig steht das Twitter-Beispiel auch exemplarisch für eine vor allem technologiegetriebene Innovation, deren Nutzen für Anwender wohl eher beschränkt ist. Entscheidend für einen wirkungsvollen Einsatz ist deshalb, dass sich die technischen Möglichkeiten und effektiv zu lösenden Probleme aus dem Alltag die Hand reichen.
Im modern ausgestatteten Gebäude agieren eine Vielzahl an Sensoren und Aktoren, die in der Regel mit einer Cloud verbunden sind. Sie sammeln Daten oder steuern verschiedenartige Geräte bzw. Anlagen. Die Anzahl der verschiedenen Domänen ist beachtlich - von der Beschattung, Heizung, Lüftung über Zugangssysteme bis zum Energiemanagement, um hier nur einige Beispiele zu nennen. Nicht überraschend sind heute noch häufig sogenannte Insellösungen entlang dieser Bereiche anzutreffen. Es sind eigenständige Systeme, die nur beschränkt oder gar nicht mit umliegenden Systemen interagieren. Gleichermassen treffen wir auf verschiedene Nutzergruppen und die für sie relevanten Anwendungen. Mit Bewohnern, Bewirtschaftern, Facility-Managern und Eigentümern ist das Spektrum breit. Die Ausgangslage ist also relativ vielschichtig oder anders gesagt: nicht gerade trivial. Das führt zu verschiedenen Herausforderungen bei der Umsetzung von IoT-Projekten.

Challenge 1: IoT und die Use Cases

„Technology is the answer. But what is the question?“ – Die vor über 50 Jahren aufgeworfene Frage des britischen Architekten Cedric Price könnte heute nicht aktueller sein. Zielführende IoT-Projekte sollten einer klaren Strategie und Vision folgen. Gefragt ist ein klares Wertversprechen für die relevanten Nutzergruppen mit einer entsprechenden Wirtschaftlichkeitsrechnung. Daraus können auf der Ertragsseite Service-Innovationen oder sogar komplett neue Geschäftsmodelle entstehen. Die Nutzer profitieren von zusätzlichen digitalen Diensten mit einer neuartigen Experience. Beispielsweise im Smarthome durch intelligent ansteuerbares Licht und die Heizungssteuerung über das Smartphone oder auch durch flexible Nutzungsformen von Räumlichkeiten, Parkplätzen und sonstigen Mietobjekten. IoT liefert die dafür notwendige Infrastruktur: Vernetzte Zugangssysteme regeln den Zutritt vollautomatisiert in Kombination mit Buchungssystemen, Sensoren zeichnen den aktuellen Belegungsstatus des Parkplatzes auf, oder Indoor-Navigationsassistenten führen den Gast durch das Gebäude. Die gleichzeitig entstehenden Daten liefern wertvolle Nutzungsstatistiken für den Betreiber, wodurch Angebote bzw. Raumkonfigurationen laufend bedarfsgerecht optimiert werden können. Solche Real-time-Daten über die aktuelle Nutzung liefern auch entscheidende Inputs zur Erhöhung der Gebäudeperformance – ökologisch wie auch wirtschaftlich. Zum Beispiel für den optimierten Betrieb von Klimaanlagen- oder Heizungsanlagen. Die notwendige Leistung lässt sich dynamisch regeln, idealerweise auch in Kombination mit Kontextinformationen rund um das Gebäude wie beispielsweise Wettervorhersagen oder saisonaler Sonnenstand.
Auch im Gebäudeunterhalt liefert IoT wertvolle Ansatzpunkte. Auf den Betriebsstatus vernetzter Anlagen kann aus der Ferne über die Cloud jederzeit zugegriffen werden. Noch spannender: Mit präventiven Analysen von Betriebsdaten können sich abzeichnende Ausfälle frühzeitig identifiziert werden, um entsprechende Wartungsarbeiten zu planen. So lassen sich Unterhaltskosten über den gesamten Lebenszyklus massiv reduzieren.

Challenge 2: IoT und die Planung, Projektumsetzung, Betriebsorganisation

Dem grossen Potenzial von IoT im Gebäude stehen vor allem auch Herausforderungen in der Projektorganisation und weniger in der technischen Machbarkeit gegenüber. Entscheidende Weichenstellungen beginnen bereits in einer frühzeitigen Planung und Konzeption. Leider werden diese aber allzu häufig zugunsten von Kosteneinsparungen stiefmütterlich behandelt. Umso heftiger können die Planungsversäumnisse in einer späteren Phase zurückschlagen. Gerade bei IoT mit im Gebäude verbauter Hardware nehmen die damit verbundenen Aufwände entlang der Bauphasen sprunghaft zu. Bereits installierte Komponenten, fehlende Anschlüsse oder Leerrohre können nur noch mit grossem Änderungsaufwand korrigiert werden. Mit dem Einzug der Nutzer in das Gebäude vergrössern sich diese durch zusätzlich notwendige Koordination ein weiteres Mal signifikant.
Von der Konzeption über die Umsetzung bis hin zur eigentlichen Nutzung sind verschiedenste Akteure involviert. Es dürfte deshalb nicht überraschen, dass die daraus entstehenden organisatorischen Herausforderungen nicht zu unterschätzen sind. Die moderne Technik ist für viele Beteiligten oft Neuland. Darauf ist ein besonderes Augenmerk zu richten. Gefordert sind zielgruppengerechte Informationen, solid durchdachte Nutzererlebnisse, verständliche Instruktionen und ein laufender Austausch hinsichtlich verschiedener Bedürfnisse. Das KISS-Prinzip (Keep It Stupid Simple) bildet dabei einen wichtigen Ansatz, um den Fokus und die Anwender nicht aus den Augen zu verlieren. Auch wenn die technischen Möglichkeiten laufend zu noch mehr verleiten – wer die Anwender verliert, hat das Projekt verloren. Gerade auch für die Prozesseffizienz kann IoT letztlich nur durch eine saubere Einbettung in die Betriebsorganisation die gewünschte Wirkung entfalten. Die Verantwortlichkeiten nach verschiedenen Rollen müssen klar definiert und die neu gewonnenen Arbeitsinstrumente wohlüberlegt in die Arbeitsprozesse integriert werden.

Ab in die Zukunft: Das nächste Level des Immobilienbetriebs durch IoT

Dem Einsatz von IoT im Gebäude steht unbestritten eine grosse Zukunft bevor. Die Möglichkeiten der Vernetzung werden sich rasch verbreiten und zunehmend zur Standardausstattung. Sie sind für attraktive Lebensräume im werthaltigen Gebäude der Zukunft nicht mehr wegzudenken. Besonders nützliche Anwendungen sind aus dem Zusammenspiel verschiedener Domänen zu erwarten. Im Gegensatz zu Punktlösungen entsteht hier die wahre Intelligenz im Gebäude.
Weitere absehbare Trends werden die Relevanz der Vernetzung verstärken: BIM, digitaler Zwilling, Energiemanagement, Kreislaufwirtschaft, As-a-Service-Geschäftsmodelle – sie alle sind eng verzahnt mit einer vernetzten Infrastruktur. Der Einzug von IoT hat also gerade erst begonnen. In den nächsten Jahren ist eine massive Beschleunigung der praktischen Anwendungen in der Immobilienbranche zu erwarten – sowohl im Neu- wie auch Bestandsbau. Durch enge Kollaboration, klare Visionen, frühzeitige Planung, durchdachte Konzepte und sorgfältige Umsetzungen mit Einbezug aller Beteiligten wird uns diese Transformation gelingen.

Biografie Martin Ehrat


Martin Ehrat arbeitet als Leiter Digital Solutions bei der Tend AG, einem führenden Immobiliendienstleister in der Schweiz. An der Schnittstelle zwischen Business-Anforderungen und Technologie unterstützt er Kunden bei der digitalen Transformation ihrer Geschäftsprozesse im Immobilienmanagement. Er arbeitet seit über 10 Jahren in der Proptech-Industrie mit Schwerpunkt Smart-Living, wo er in verschiedenen Rollen als Business Developer, Consultant wie auch Produktmanager komplexe Projekte und Innovationen in der Praxis erfolgreich umsetzte. Er verfügt über einen Master-Abschluss in Management & Economics der Universität Zürich.